https://verschickungsheime.de/
http://limesgermanicus.blogspot.com/2012/06/achim-stut-aus-hondelage.html
Konservativ geschätzt betrifft es mindestens drei Millionen Kinder und Jugendliche, die bis in die 1970er-Jahre zum Zwecke der Gesundheitshilfe an die See oder in die Berge verschickt wurden. Die Eltern waren der festen Überzeugung, es würde ihnen gut gehen auf dieser "Kur". Heute weiß man: Für sehr viele Verschickungskinder war der Aufenthalt ein Martyrium, das bis in die Gegenwart nachwirkt. NDR Autor Thilo Eckoldt war selbst ein sogenanntes Verschickungskind. Er begibt sich auf Spurensuche und trifft viele Kinder, die damals gelitten haben.
Die Kinder und Jugendlichen waren entweder zu dünn, zu dick oder sie kränkelten: Auf Anraten von Haus- und Schulärzten wurden ab den 1950er-Jahren Millionen von ihnen für mehrere Wochen in Kinderheime geschickt. Reizklima und Bewegung sollten der Gesundheit dienlich sein. Doch statt Betreuung, Liebe, Fürsorge und Erholung erlebten viele von ihnen Misshandlungen und schlimmste Erniedrigungen. Selbst heute, nach Jahrzehnten, leiden viele ehemalige Verschickungskinder noch darunter.
Der Autor des Films wurde selbst zweimal verschickt, begibt sich auch auf eine persönliche Spurensuche und versucht, anhand von Gesprächen, alten Dokumenten und Tagebüchern die Gründe und den Verlauf seiner Verschickungen zu verstehen.
Während seiner Recherchen trifft er andere ehemalige Verschickungskinder. Etwa in St. Peter- Ording an der Nordsee. Gemeinsam wollen sie ergründen, was damals passierte.
Das Schicksal der Kinder wurde über Jahrzehnte nicht wirklich zur Kenntnis genommen. Auch deshalb haben sich viele Ehemalige auf der Internetseite verschickungsheime.de zur Initiative Verschickungskinder zusammengeschlossen. Ihre Erlebnisse ähneln sich auf erschreckende Weise. Mittlerweile zeugen gut 2.000 Berichte von den erlebten Erniedrigungen: Essenszwang, Schläge, nächtliches Toilettenverbot, Zurschaustellung von Bettnässern und Briefzensur. Nur positive Berichte der Kinder durften das Heim verlassen.
Den Verschickungskindern geht es jedoch nicht nur darum, von ihren seelischen Verletzungen zu berichten. Sie fordern auch die Institutionen und Träger der Heime, aber auch die Gemeinden, die von der Verschickungsindustrie über Jahrzehnte profitierten, dazu auf, Verantwortung zu übernehmen. Und sei es mit einer Gedenktafel an den Orten ihrer Demütigung.
Das Leid der Verschickungskinder - Was geschah in den Kurheimen?
Bis in die 1980er Jahre wurden Millionen Kinder in sogenannte Erholungskuren geschickt, ein gigantisches staatliches Gesundheitsprogramm. Doch viele von ihnen wurden systematisch gequält und misshandelt - und leiden noch heute. Werden die Geschehnisse endlich aufgearbeitet?
Die Doku zeigt, wie sehr die erlebten "Kuren" die ehemaligen Verschickungskinder noch heute verfolgen. Viele fühlen sich noch Jahrzehnte später stark beeinträchtigt. Sie haben Angst-, Schlaf- und Essstörungen, kämpfen mit Depressionen. Etliche haben Selbstmordversuche hinter sich. Doch über ihr Leid ist wenig bekannt. Das soll sich jetzt ändern. Ein Jahr lang haben die SWR-Autoren Betroffene bei ihrem Kampf um Anerkennung begleitet. Sie waren dabei, als sich ehemalige Verschickungskinder 2019 das erste Mal getroffen haben, um eine Initiative zu gründen. Gemeinsam wollen sie eine wissenschaftliche Aufarbeitung initiieren, um Licht in dieses dunkle Kapitel der deutschen Geschichte zu bringen. Sie fordern staatliche Unterstützung und Hilfen. Die Reportage beleuchtet die Erfolge und Rückschläge auf ihrem steinigen Weg und nimmt auch die Verantwortlichen in den Blick.
Die beiden Autoren treffen und konfrontieren die Träger ehemaliger Verschickungsheime. Werden sie sich an einer Aufarbeitung und möglichen Entschädigungen beteiligen? Was ist aus ihren Heimen geworden? Welche Einrichtungen existieren bis heute? Und was hat man aus den "Kinderkuren" gelernt?
SWR "betrifft" beleuchtet erstmals auch das System der Verschickungskuren und zeigt, warum Kinder überall im Land gequält wurden. Hochrangige Akteure aus der NS-Zeit waren in die Kuren eingebunden. Mehrere Heime wurden von ehemaligen NS-Verbrechern geleitet.
Diese Doku von Ulrich Neumann und Philipp Reichert aus der SWR-Reihe "betrifft" trägt den Originaltitel: Das Leid der Verschickungskinder - Was geschah in den Kurheimen?, Ausstrahlungsdatum: 17.02.21. #swrdoku #swr Alle Aussagen und Fakten entsprechen dem damaligen Stand und wurden seitdem nicht aktualisiert.
Unter dem Titel: Gequält, erniedrigt, drangsaliert - der Kampf ehemaliger Kur-Kinder um Aufklärung lief am 20.08.20 im Ersten eine Fassung von 30 Minuten zu diesem Thema.
Wehrlos - was Kinder in bayerischen Kurheimen erleben mussten
Kinderkuren für kränkliche Kinder - diese Idee boomte ab den 50er Jahren. Als sogenannte Verschickungskinder wurden bis in die 80er Jahre hinein selbst Kleinkinder über Wochen hinweg von ihren Familien getrennt. Viele der schätzungsweise 8 Millionen Kinder erfuhren in den Kurheimen Bestrafung, Demütigung und sogar Missbrauch. Gerade auch in Bayern - viele kämpfen bis heute mit den Folgen der Vorfälle. Die Aufarbeitung läuft erst jetzt an.