Gewissen in Aufruhr

01 Entscheidung an der Wolga

Am 8. Mai 1945 ist der Zweite Weltkrieg offiziell beendet, Hitlerdeutschland ist besiegt und liegt in Schutt und Asche. In einem Eisenbahnwaggon sitzt Oberst Ebershagen (Erwin Geschonneck), Offizier der deutschen Armee und zuletzt Kommandant der Stadt Greifswald. Der Zug befördert ihn und andere Generäle und hohe Offiziere der faschistischen Truppen in Richtung Sibirien, wo sie in Kriegsgefangenenlagern interniert werden sollen. Ebershagen nutzt die Gelegenheit, die anderen Befehlshaber über seine Gründe zu informieren, warum er in den letzten Kriegstagen die ihm anvertraute Stadt Greifswald den Sowjets kampflos übergeben hatte. Den entscheidenden Ausgangspunkt sieht er in Geschehnissen aus dem Jahre 1942. Im September diesen Jahre steht Ebershagen mit seinem Regiment, dem 2000 Soldaten und Offiziere angehören und das Bestandteil der 6. Faschistischen Armee ist, kurz vor Stalingrad. In Deutschland wird die Zivilbevölkerung mit Propagandamaßnahmen auf den bevorstehenden Fall von Stalingrad eingestimmt, und es bleibt Ritterkreuzträger Ebershagen vorbehalten, nach 18 Monaten Fronteinsatz nach Berlin zu fliegen und in diesem Sinne eine Rede zu halten. Zurückgekehrt an die Front muss er miterleben, dass die faschistische Armee diese Ziel nicht erreichen kann, weil die sowjetischen Truppen sehr starken Widerstand leisten. Und es gelingt der Sowjetarmee sogar, mit einer massiven Gegenoffensive die deutschen Truppen im Kessel von Stalingrad einzuschließen. Ebershagen kommen in diesen Tagen erste Zweifel am Sieg in diesen Völkerschlachten, und es scheint für ihn festzustehen, dass Sieg oder Niederlage wohl hier im Osten entschieden werden. Zunächst aber ist er noch der Ansicht: “Aus diesem Kessel haut man sich raus, ehe es zu spät ist!” Doch aus Berlin gibt es keine diesbezüglichen Anweisungen, und Feldmarschall Paulus erteilt unter diesen Bedingungen keine eigenen Befehle. So stehen die deutschen Truppen bei eisiger Kälte mit Temperaturen von unter minus dreißig Grad in freier Steppe und auf gefrorenem Boden. Soldaten und Offiziere sind hungrig und übermüdet und dem erfrieren nah. Die deutschen Generale aber geben nicht nach und fordern bedingungsloses Durchhalten. Ebershagen gibt zu bedenken, dass die Befehlshaber gegenüber den Soldaten menschliche Verpflichtungen haben, doch seine Worte stoßen auf taube Ohren. Der Oberst selbst wird bei einem intensiven Gefecht schwer verletzt und muss in ein Feldlazarett nach Stalino ausgeflogen werden. Von seinem Regiment überleben nur 82 Mann, und diese müssen sich nun in sowjetische Kriegsgefangenschaft begeben.

02 Als die Glocken schwiegen

Nach seiner schweren Verletzung hatte Oberst Ebershagen (Erwin Geschonneck) im Lazarett in Stalino genügend Zeit, um über das Geschehene, sprich das Inferno von Stalingrad, nachzudenken. Ihm fällt es schwer, Gründe zu bestimmen, wofür er als Soldat nach seiner Genesung eintreten sollte. Diese Gefühlslage verstärkt sich noch, als er in seine Heimatstadt Greifswald zurückkehrt. Hier sieht es so aus, als hätte es keinerlei kriegerische Handlungen gegeben - ganz im Gegenteil zu anderen Städten, die zum Teil dem Erdboden gleich gemacht worden waren. Und diese Anblicke kennt der Oberst sehr wohl. Dann erreicht ihn der Befehl, sich nach Torgau in Marsch zu setzen, um dort als Beisitzer im Reichskriegsgericht zu wirken. Da er nicht gewillt ist, Todesurteile gegen Menschen zu unterzeichnen, bittet er Professor Karnach (Friedrich Richter), seinen behandelnden Arzt, ihm ein Attest für das so genannte Heerespersonalamt auszustellen. So wird Ebershagen zum Jahreswechsel 1944/45 zum Stadtkommandanten von Greifswald ernannt, und mit seinem Amtsantritt verspricht er, alles in seiner Macht stehende zu tun, um die Stadt zu schützen. Die vor Ort stationierten Gestapo-Leute ermahnen ihn zu höchster Wachsamkeit und sind ihrerseits bereit, alles für den “Endsieg” zu tun. Inzwischen ist die Rote Armee vom Osten her bis an die Oder vorgestoßen, und die sowjetischen Truppen planen umfangreiche Offensivaktionen, um das Nazireich in die Knie zu zwingen. Entsprechend seiner Erfahrungen als Militär und Kriegsteilnehmer schätzt Ebershagen ein, dass er mit den Kräften, die ihm zur Verteidigung von Greifswald zur Verfügung stehen, die Stadt etwa vier Stunden gegen die Angriffe der Gegenseite halten kann. Doch soll er wirklich das Leben vieler Menschen dafür opfern oder vorher kapitulieren, um dies zu vermeiden? Tage und Nächte der Entscheidungen sollten auf dem Offizier zukommen.

03 Wo sich die Wege trennen

Die letzten Tage und Stunden des “Tausendjährigen Reiches” sind angebrochen. Man schreibt den 30. April 1945. Die Stadt Greifswald erwartet in Kürze die herannahenden Sowjettruppen und damit ein Inferno, nach dessen Ende die Stadt wohl keine Stadt mehr ist, sondern nur noch ein ein mit Leichen übersäter Trümmerhaufen. Aber noch herrscht trügerische, bedrückende Stille über der Stadt. Doch vom nahe gelegenen Anklam ist bekannt, dass der Ort schon in Flammen steht, und die Zweite Belorussische Front rückt weiter voran. Es zeigt sich, dass Hitlers Truppen nicht mehr in der Lage sind, die Sowjets und die Alliierten insgesamt aufzuhalten. Auch ein letzter Versuch Himmlers, der sich in einem Sonderzug nahe von Lübeck aufhält und hofft, ein Bündnis mit Amerikanern und Engländern gegen die Russen schmieden zu können, scheitert. Oberst Ebershagen (Erwin Geschonneck) war es inzwischen gelungen, mit den Sowjets Kapitulationsbedingungen auszuhandeln; damit widersetzte er sich dem ausdrücklichem Befehl Himmlers und brach seinen Eid, den er gegenüber dem Hitlerstaat geleistet hatte. Einem Erschießungskommando, das fanatische Nazis auf Ebershagen angesetzt hatten, entkommt der Oberst nur knapp. Im Rathaus zu Greifswald wird dann die offizielle, kampflose Übergabe der Stadt an die Russen vollzogen. Ebershagen begibt sich mit der gesamten Greifswalder Garnison in sowjetische Kriegsgefangenschaft. Der Krieg ist zu Ende, und Oberst Ebershagen besteigt mit Generälen und anderen hohen Offizieren einen der Transportwaggons, der ihn nach Krasnogorsk bei Moskau bringt; hier hat man ein Sonderlager für höhere Offiziere eingerichtet. Im Gedankenaustausch mit den Mitgefangenen muss Ebershagen mit Erschütterung feststellen, dass sich die meisten deutschen Militärs noch immer ihre Niederlage nicht eingestehen wollen und weiter der Naziideologie verfallen sind. Und Ebershagen, der nicht bis zum letzten Blutstropfen gekämpft, aber mit den Russen verhandelt hat, ist für sie ein Verräter. Nach langen Monaten dieser ungewissen und mit vielen Zweifeln, aber auch Hoffnungen behafteten Zeit wird Oberst Ebershagen aus der Gefangenschaft entlassen und kehrt zu seiner Frau Angelika nach Greifswald zurück. Es ist Ende des Jahres 1948.

04 Auf der anderen Seite

Die Zeit der Gefangenschaft liegt hinter Ebershagen (Erwin Geschonneck). Für ihn und die anderen Internierten waren es sehr harte Jahre, aber speziell für Ebershagen auch Lehrjahre, also auch Zeiten, in denen man die Lehren der Vergangenheit überdenkt und Prämissen für das Kommende setzt. Zunächst arbeitet er als Landrat auf Usedom, um sich um dem friedlichen Aufbau beim Überwinden der Kriegsschäden zu engagieren und die Versorgung der Bevölkerung zu sichern. Darin sieht er seine Aufgabe in der Heimat. Doch als man in Westdeutschland daran geht, die Wiederaufrüstung zu einem Schwerpunkt der dortigen Regierung zu erheben, fährt er in die BRD, um auf seine ehemaligen Kameraden einzuwirken, die Fehler der Vergangenheit nicht zu wiederholen. Dabei trifft er zum wiederholten Male auf seinen früheren Divisionschef, den ehemaligen General Köhler (Herbert Körbs). Hat letzterer nun auch die Lehren der Schlacht um Stalingrad begriffen und iste er damit Ebershagen Gleichgesinnter oder negiert er die Lehren des Zweiten Weltkriegs und sieht sich als Feind des Manns aus dem Osten? Es sollte sich zeigen, dass ein Mann wie Ebershagen in den Gefilden Westdeutschlands, in denen alte Nazis in führende gesellschaftliche Positionen gelangt waren, mit seinen Argumenten nicht auf offene Ohren stößt - ganz im Gegenteil, man hat seine Kooperation mit den Russen in den letzten Kriegstagen nicht vergessen und sieht in ihm einen Feind (West-)Deutschlands, eine Gefahr, die die öffentliche Meinung in - aus ihrer Sicht - negativer Weise beeinflussen könnte. So gerät Ebershagen in die Fänge des amerikanischen Geheimdienstes. Die Herren dieser Organisation, so zum Beispiel die Kopfjäger Bowling und Frei (Johannes Arpe/Helmut Schreiber), wollen ihn unter Androhung von Repressalien dazu bringen, seine Meinung in Bezug auf die Wiederaufrüstung zu ändern. Ebershagen aber widersteht diesen Erpressungsversuchen, wird aber in Westdeutschland vor Gericht gestellt, verurteilt und schließlich in das Kriegsverbrechergefängnis Landsberg zur Verbüßung seiner Strafe eingewiesen. Gefesselt sitzt er in seiner Zelle, doch er beharrt auf seinem Recht, für den Frieden und gegen Remilitarisierung eintreten zu können.

05 Zweite Heimkehr

Die Situation des inhaftierten ehem. Oberst Ebershagen (Erwin Geschonneck) ist schwierig und bedrückend. Im Zuchthaus sind Erniedrigungen wie Intrigen gegenüber dem “Verräter an der deutschen Sache” nichts Ungewöhnliches; zur gleichen Zeit muss Ebershagen mit ansehen, wie Offiziere, die im Zweiten Weltkrieg wirklich große Schuld auf sich geladen haben und deren Gesinnung noch immer dem “Deutsch-Nationalen” und dem Antikommunismus verhaftet ist, ein angenehmes Leben führen, wodurch sie Zeit und Muße haben, vom “Ruhm” vergangener Zeiten zu träumen und neue Pläne zu schmieden, wie man die “Scharte” aus der Niederlage des Zweiten Weltkriegs “ausmerzen” kann. Und Ebershagen muss mit ansehen, wie diese Leute Zug um Zug aus dem Kriegsverbrechergefängnis in Landsberg entlassen werden. Frau Ebershagen (Inge Keller) darf ihren Mann zwar im Gefängnis besuchen, allerdings beschränkt man die Zeit auf ganze 15 Minuten. Als sich der gesundheitliche Zustand Ebershagens weiter verschlechtert und er einen völligen körperlichen Zusammenbruch erleitet, müssen die westdeutschen Behörden einlenken, so dass dessen Odyssee im Jahre 1954 zu Ende geht und er in seine Heimat und zu seiner Frau zurückkehren kann - quasi seine zweite Heimkehr nach der Entlassung aus der Kriegsgefangenschaft. Die entscheidende Szene der Heimkehr des Offiziers Ebershagen - seine Frau erwartet ihn am Brandenburger Tor in Berlin - hatten die Regisseure Reisch und Kasprzik im August 1961 gedreht - nur wenige Tage vor dem Bau der Berliner Mauer am 13. August dieses Jahres.

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